Eltern geraten immer mehr unter Druck, ihre Kinder ständig „zu unterhalten“. Die Balance von Förderung und Freiraum liegt schief. In dieser Ausgabe von KOKO-Wiki befasst sich KOKO-Geschäftsführerin Mag.a Eva Goetz, selbst Klinische und Gesundheitspsychologin, mit diesem Thema und gibt Tipps, wie sie dieses Gleichgewicht am besten herstellen.
Eltern befinden sich in einem Dilemma und wollen ihrem Nachwuchs alles bieten und organisieren ständig jede Menge an Aktivitäten – sowohl während des Schuljahrs, aber auch in den Ferien. Daraus folgen dicht ausgefüllte Wochenpläne mit vielfältigen Angeboten: Sportcamps kombiniert mit Sprachkursen, Trommelworkshops bis hin zur musikalischen Rhythmikstunde, Streetdance oder Klettertraining. Sobald Kinder und Jugendliche nicht „bespielt“ werden und es keine Animationsangebote gibt, greift Langeweile um sich. Eltern geraten dadurch immer mehr unter Druck. Es bleibt wenig Zeit für die Kinder selbst. Entsteht einmal eine Zeitlücke, greifen Kinder zu Computerspiel und Smartphone. Durch ständige Beschäftigung und Reizüberflutung in überdosiertem Ausmaß kommt der Einsatz der eigenen kreativen Fähigkeiten oft zu kurz.
Eltern sollten in der Freizeitplanung eine ausgeglichene Balance finden zwischen sinnvoller Förderung – entsprechend den Talenten und Neigungen des Kindes – und einem ausreichenden Freiraum, in dem Zeit bleibt für Kreativität, Entdeckungsfreude und das Knüpfen von Freundschaften.
Entscheidend ist, dass Kinder sich – zeitlich begrenzt – auf Situationen einlassen können, in denen keine vorgefertigten Strukturen im Vordergrund stehen. Eine Zeit zum Nichtstun, Träumen und Trödeln ist außerordentlich wichtig. Kinder leben dann ihre Abenteuer in der Fantasie und entwickeln auf diese Weise Kompetenzen, die das Selbstwertgefühl stärken. Sie können sich erproben und wichtige Entwicklungsschritte durchleben.
Oft langweilen sich Kinder, obwohl sich teure Spielsachen in den Kinderzimmern stapeln. Sie haben nicht gelernt, eigene Spielideen zu entwickeln. In solchen Fällen kann es hilfreich sein, wenig beachtetes Spielzeug vorerst einmal wegzuräumen. Es gibt ausreichend Aktivitäten, die nicht unbedingt teuer sein müssen wie zum Beispiel das kreative Erstellen von jahreszeitlichen Dekorationen. Aber auch im Freien – gerade in den Wintermonaten im Schnee – sind viele Möglichkeiten geboten, sei es zum Rodeln oder um auf Spurensuche zu gehen, wie Mama und Papa es früher gemacht haben. Die Ideen sind hier vielfältig. Und sobald die Monate wieder wärmer werden, sind gemeinsame Gartenarbeit, die Bepflanzung der kleinen Ecke mit Kräutern am Balkon oder das Sammeln von Naturmaterialien bei (Regen-) Spaziergängen eine gute Möglichkeit, die kreativen Fähigkeiten der Kinder walten zu lassen.
Kinder je nach Alter und Interessen in gemeinsame Alltagserledigungen einzubeziehen schafft Lern- und Spielräume. Dabei kann es sich um das Reparieren des Fahrrades bzw. kleiner Haushaltsutensilien handeln, um das Kochen miteinander oder um das Kneten des Pizzateigs. Sozialisation und Modelllernen sind der Schlüssel gegen die Entwicklung von Verhaltenssucht und von totaler Konsumorientiertheit.
Es liegt unter anderem in der Verantwortung der Eltern, den Kindern entgegen dem rasanten Vormarsch der Freizeitmaschinerie Alternativen aufzuzeigen und vorzuleben. Begrenzung des Konsums von elektronischen Medien wie täglich vereinbarte Nutzungszeiten und eine klare Regelung der Auszeiten in der Nacht geben Orientierung und wirken vorbeugend gegen einen Gewöhnungseffekt, der nach stets steigender Dosierung verlangt. Damit werden individuelle Lebensläufe verhindert, die geprägt sind von mangelndem Realitätsbezug, wenig Eigeninitiative und dem Fehlen persönlicher Gestaltungsmöglichkeiten.
Ich kann Eltern nur darin bestärken, die enormen Ressourcen und Fähigkeiten ihres Kindes wahrzunehmen, diesen zu vertrauen und sie an dieser Stelle mit einem guten Blick und dem richtigen Ausmaß zu unterstützen.
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