Mag.a (FH) Susanne Macha leitet für KOKO in Salzburg zwei Gruppen für alkoholabhängige Frauen. Die diplomierte Sozialarbeiterin und Mediatorin erzählt im Interview über ihre Erfahrungen in den vergangenen Jahren und gibt Tipps zum Umgang mit einem Alkoholproblem.
Ab wann spricht man von einer Alkoholsucht?
„Die typische Alkoholikerin oder den typischen Alkoholiker gibt es nicht. Abhängigkeit lässt sich nicht anhand einer bestimmten, täglich getrunkenen Menge Alkohols festlegen. Die Übergänge von normalem Alkoholgenuss über Missbrauch bis hin zur Alkoholkrankheit sind fließend und in vielen Fällen kaum erkennbar. Betroffene funktionieren oft über einen langen Zeitraum „normal“ und bleiben weiterhin leistungsfähig,“ so die Gruppenleiterin.
Treten Symptome wie zwanghaftes Verlangen nach Alkohol, Kontrollschwierigkeiten beim Konsum von Alkohol, Entzugserscheinungen wie Zittern oder Schwitzen, Interessensverlust an Dingen des alltäglichen Lebens, zunehmende Toleranzentwicklung gegenüber Alkohol und/oder körperliche bzw. psychische Schäden über einen Zeitraum von mindestens einem Jahr auf, kann mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit von einer Abhängigkeit ausgegangen werden.
Im Rahmen der KOKO Gruppenangebote für alkoholkranke Frauen finden regelmäßige Treffen statt. Wer darf an den Gruppenterminen teilnehmen?
Die beiden Frauengruppen – sie sind in Österreich einzigartig – bestehen aus zehn bzw. elf Frauen aus dem gesamten Bundesland Salzburg. Die Teilnehmerinnen sind zwischen 40 bis 70 Jahre alt, einige von ihnen besuchen die zweiwöchig stattfindenden Treffen in Salzburg bereits seit Beginn der ersten Frauengruppe vor zehn Jahren. Abstinenz ist dabei keine Voraussetzung für die Teilnahme.
Nach telefonischer Kontaktaufnahme wird mit jeder Interessentin ein Termin für ein Erstgespräch vereinbart. Bei diesem Gespräch werden organisatorische Fragen geklärt und sogenannte „Gruppenregeln“, (z. B. Verschwiegenheitspflicht, Teilnahme ausschließlich in nüchternem Zustand,…) besprochen. Die Nachfrage nach freien Plätzen stieg – trotz Gründung der zweiten Gruppe vor sechs Jahren – weiterhin enorm, sodass neue InteressentInnen auf eine Warteliste kommen. Die Tatsache die hohe Nachfrage betreffend erklärt Frau Mag.a (FH) Macha folgendermaßen: „Das Besondere an dieser Gruppe ist der Austausch über spezielle Frauenthemen zwischen betroffenen Frauen.“
Wie verläuft ein Gruppentreffen?
Ein Gruppentreffen dauert zwei Stunden und beginnt mit einer Eröffnungsrunde, in der jede Teilnehmerin über die Zeit bzw. Befindlichkeit zwischen dem letzten und dem aktuellen Treffen berichtet. Daraus entwickeln sich oft weitere Themen, über die im Anschluss diskutiert werden kann. Meistens bereitet die Gruppenleiterin selbst ein Thema vor, wie z. B. Umgang mit Stress, Rückfallprävention, Suchtalternativen, Konfliktfähigkeit oder gesellschaftlicher Umgang mit dem Thema Sucht. Jeder Abend verläuft unterschiedlich und wird oft durch Meditations- und Entspannungsübungen ergänzt.
Warum greifen Frauen zum Alkohol?
Der Literatur und Erfahrung zufolge haben alkoholkranke Frauen als Kind oft zu wenig Eigenständigkeit erfahren und hatten dadurch weniger Möglichkeiten, Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen aufzubauen. Im späteren Leben kommen auf viele Frauen durch Beruf, Kindererziehung und Haushalt vermehrt Anforderungen und Belastungen hinzu. Die Überforderung steigt, manche suchen schließlich ihren Ausweg im Alkoholkonsum. Damit fällt es Betroffenen kurzfristig leichter zu entspannen und den „Kopf auszuschalten“. Angst und Hemmung nehmen mit zunehmendem Konsum ab. In vielen Fällen folgt schleichend der Weg in die Abhängigkeit.
ExpertInnen sehen einen weiteren Grund für den steigenden Alkoholkonsum von Frauen in der gesellschaftlichen Entwicklung. Frauen von heute sind selbstbewusster, stehen eher im Erwerbsleben und haben eigenes Einkommen. Alkoholische Getränke sind außerdem einfach und billig zu erwerben, Alkoholwerbung richtet sich teilweise gezielt auf Frauen und Hersteller bringen immer mehr Produkte auf den Markt, die Frauen ansprechen. Die gesellschaftliche Akzeptanz der legalen Droge Alkohol spielt bei der Suchtentwicklung eine wesentliche Rolle und darf nicht unterschätzt werden.
„Für die Entstehung einer Sucht ist aber in jedem Fall keine alleinige Ursache, sondern die Kombination verschiedener Faktoren (biologisch, psychologisch und sozial) verantwortlich“, erklärt Frau Mag.a Macha.
Unterscheiden sich Frauen und Männer in ihrem Suchtverhalten?
Ja, Männer sind eher „Gesellschaftstrinker“, Frauen eher „Problemtrinkerinnen“. Bei Männern wird der Konsum von Alkohol seit jeher gesellschaftlich akzeptiert, alkoholtrinkende Frauen werden heute zwar mehr, aber bei weitem weniger als Männer toleriert. Viele Frauen sind bis heute gezwungen, heimlich Alkohol zu trinken, weshalb ExpertInnen eine hohe Dunkelziffer an alkoholabhängigen Frauen vermuten. Frauen können ihre Sucht häufig lange verstecken, weil sie trotz Abhängigkeit Job, Familie und Haushalt managen können.
Wie gehen Menschen vor, die gewillt sind, ihr Alkoholsuchtproblem zu lösen?
Voraussetzung ist immer die Motivation zu einer langfristigen Verhaltensänderung bzw. -umstellung. In Österreich bieten viele Einrichtungen kostenlos und anonym Beratungsgespräche an. Im Rahmen dieser Gespräche können weitere Schritte (z. B. Therapie, Entzug, Gruppenteilnahme) überlegt und Fragen geklärt werden. Die Teilnahme an einer Gruppe bietet z. B. die Möglichkeit, sich in einem geschützten Rahmen mit anderen Betroffenen auszutauschen.
Teilnehmerinnen der Frauengruppen berichten: „Die Unterstützung durch fachliche Beratung und die Teilnahme an der Gruppe haben in großem Maße geholfen, die eigene Alkoholsucht zu erkennen, mit dieser umzugehen und Lösungskompetenzen zu stärken.“
Wie hoch ist die Rückfallsquote?
50 Prozent der Alkoholkranken, die zusätzlich zur Entgiftung eine Therapie durchlaufen haben, erleben im ersten Jahr danach einen Rückfall, bei Alkoholikern ohne Therapie liegt diese Zahl sogar bei 80 Prozent.